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Mittwoch, 10. Juni 2015

Audio :Prof. Georg May: Beichte



Was ist die Beichte ?

Beichte ist die Selbst­an­klage .Die Beichte ist die Vergebung unserer Sünden um die nach der Taufe begangenen Sünden nachzulassen. Jesus Christus selbst hat dieses Sakrament eingesetzt, als er seinen Aposteln die Sünden- vergebungsgewalt übertrug mit den Worten: "Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden nachlasset, dem sind sie nachgelassen; wem ihr sie behaltet, dem sind sie behalten" (Joh 20, 22 f).


Darf jeder Beichten?

Der Emp­fän­ger des Bußsa­kra­men­tes ist jeder getaufte Christ, der Sün­den began­gen hat. Jeder getaufte Christ! Ein Unge­tauf­ter kann das Bußsa­kra­ment nicht emp­fan­gen. Warum nicht? Er besitzt nicht die Inkor­po­ra­tion in Chris­tus. Er ist kein Chris­tus­ge­hö­ri­ger. Er hat nicht die Züge Jesu, die ihm in der Taufe ein­ge­prägt wer­den, und die Taufe ist nun ein­mal die janua sacra­men­to­rum – das Tor, das Ein­gangs­tor in die sakra­men­tale Welt. Ohne den Emp­fang der Taufe ist der Emp­fang eines ande­ren Sakra­men­tes aus­ge­schlos­sen, auch der des Bußsa­kra­men­tes. Nur ein Getauf­ter kann das Bußsa­kra­ment emp­fan­gen.

Wer ist der Spender der Beichte?
 
Die Voll­macht zur Sün­den­ver­ge­bung wird dem Pries­ter über­tra­gen bei der Pries­ter­weihe. Da wer­den eigens bestimmte Worte vom wei­hen­den Bischof aus­ge­spro­chen, die auf die Über­tra­gung der Sün­den­ver­ge­bungs­voll­macht Bezug neh­men. Aber um Sün­den tat­säch­lich zu ver­ge­ben, genügt die bei der Weihe über­tra­gene Gewalt nicht. Sie wer­den erstau­nen, wenn ich das sage, denn die meis­ten Gläu­bi­gen wis­sen nicht, daß zur Spen­dung des Bußsa­kra­men­tes nicht nur Wei­he­ge­walt, son­dern auch Juris­dik­ti­ons­ge­walt not­wen­dig ist. Der eben geweihte Pries­ter hat noch keine volle Sün­den­ver­ge­bungs­ge­walt, und der lai­sierte Pries­ter hat keine Sün­den­ver­ge­bungs­ge­walt mehr, weil bei ihm die Juris­dik­ti­ons­ge­walt, die zur Sün­den­ver­ge­bung not­wen­dig ist, noch nicht bzw. nicht mehr vor­han­den ist. Es muß also dem Pries­ter, der wirk­sam das Bußsa­kra­ment ver­wal­ten soll, auch noch eine Ord­nungs­ge­walt über­tra­gen wer­den, die wir Juris­dik­tion nen­nen, die ihm erst die Unter­ge­be­nen ver­schafft, an denen er dann kraft sei­ner Wei­he­ge­walt die Los­spre­chung voll­zie­hen kann. In Not­fäl­len ergänzt die Kir­che die feh­lende Juris­dik­ti­ons­ge­walt. Wenn ein Pries­ter sich von sei­nem hei­li­gen Beruf ent­fernt hat und in eine Lage gerät, wo kein ande­rer Pries­ter vor­han­den ist, und jemand ihn bit­tet, die Los­spre­chung zu voll­zie­hen, da über­trägt die Kir­che für die­sen Not­fall, für die­sen gefähr­li­chen Not­fall, dem abtrün­ni­gen Pries­ter die Juris­dik­ti­ons­ge­walt, um gül­tig die Los­spre­chung vor­neh­men zu kön­nen.

Wie viele und welche Dinge sind erfordert, um eine gute Beichte abzulegen?

Um eine gute Beichte abzulegen, sind fünf Dinge erforderlich:
1. Gewissenserforschung; 2. Reue über die Sünden; 3. Guter Vorsatz; 4. Sündenbekenntnis; 5. Buße

Was ist die Gewissenserforschung?

Die Gewissenserforschung geschieht dadurch, dass man sich nach vorherigem andächtigem Gebet (besonders zum Heiligen Geist) die Sünden seit der letzten gültig abgelegten Beichte in Erinnerung ruft, die man in Gedanken, Worten und Werken, durch Unterlassung gegen die Gebote Gottes, gegen die Vorschriften der Kirche und gegen die Pflichten des eigenen Standes begangen hat.
Der Beichtspiegel dient dabei als Gedächtnisstütze und ist ein Hilfsmittel zur Gewissensbildung.

Hier der:


Was ist die Reue ?

Es gibt zwei Arten von Reue: die vollkommene Reue oder Liebesreue und die unvollkommene oder Furchtreue.Die voll­kom­mene Reue ergibt sich aus der voll­kom­me­nen Got­tes­liebe, die unvoll­kom­mene Reue aus der unvoll­kom­me­nen Got­tes­liebe. Wann ist die Got­tes­liebe unvoll­kom­men? Nun, wenn die Motive, Gott zu lie­ben, schwä­cher sind. Auf diese Atrt von Liebe las­sen sich die ande­ren über­na­tür­li­chen Beweg­gründe zurück­füh­ren, um deret­wil­len wir die Sünde mei­den, mei­den wol­len, zu mei­den beab­sich­ti­gen, wenn wir also die Sünde als einen Scha­den für uns anse­hen, weil wir dadurch die Seele befleckt und Strafe ver­dient haben. Das sind die gewöhn­lichs­ten und häu­figs­ten Motive der unvoll­kom­me­nen Reue. Wir haben die Häß­lich­keit der Sünde erkannt, die uns die see­li­sche Schön­heit nimmt, und wir haben die Strafe vor Augen, die wir dafür ver­dient haben, denn Sün­den ver­die­nen Strafe. Der­je­nige, der sün­digt, han­delt sich damit Strafe von Gott ein. Es gibt Sün­den­stra­fen, zeit­li­che, hier oder im Feg­feuer abzu­bü­ßende, und ewige Sün­den­stra­fen; die Ver­damm­nis, das ist die ewige Sün­den­strafe. Und davor scheuen wir natür­lich zurück, und das ist die unvoll­kom­mene Reue, die auf die Häß­lich­keit der Sünde und auf die dafür ver­wirkte Strafe blickt. Die Furcht vor der Strafe ist ein Motiv der unvoll­kom­me­nen Reue.Wir kön­nen also mit unvoll­kom­me­ner Reue zur hei­li­gen Beichte gehen. Es ist ein Lehr­satz, daß für das Bußsa­kra­ment die unvoll­kom­mene Reue genügt. Der latei­ni­sche Aus­druck heißt attri­tio, unvoll­kom­mene Reue, im Unter­schied von der cont­ri­tio, der voll­kom­me­nen Reue. Natür­lich sol­len wir nach der voll­kom­me­nen Reue stre­ben. Natür­lich sol­len wir uns bemü­hen, Gott um sei­ner selbst wil­len zu lie­ben, aber wer es noch nicht fer­tig­bringt, der sei beru­higt; seine Beichte ist gül­tig, die Los­spre­chung wird emp­fan­gen, wenn er wenigs­tens mit unvoll­kom­me­ner Reue zu die­sem hei­li­gen Sakra­ment schrei­tet.


Was ist der gute Vorsatz ?

Wer die Sünde ver­ab­scheut, der muß natür­lich ohne wei­te­res auch die Absicht haben, sie nicht mehr zu tun. Denn wie sollte er sie ver­ab­scheuen und gleich­zei­tig den Wil­len haben, sie wie­der zu bege­hen? Also mit der Reue ist der Vor­satz not­wen­dig ver­bun­den. Eine Reue ohne Vor­satz ist keine wahre Reue. Ein Büßer, der zur Beichte ginge ohne Vor­satz, würde die Los­spre­chung ungül­tig emp­fan­gen. Wor­auf muß sich der Vor­satz rich­ten? Er muß sich dar­auf rich­ten, alle schwe­ren Sün­den zu mei­den, ohne Aus­nahme. Er darf keine aus­neh­men. Er muß sich von allen schwe­ren Sün­den nicht nur für die Ver­gan­gen­heit abwen­den, son­dern auch für die Zukunft. Er muß sich vor­neh­men, alle schwe­ren Sün­den zu mei­den. Wenn jemand durch lange Erfah­rung weiß, daß er, wenn er ein­mal ein Glas Alko­hol genos­sen hat, kein Hal­ten mehr kennt, son­dern sich sinn­los betrinkt, dann muß er das eine Glas Alko­hol mei­den; das ist die Gele­gen­heit, die er mei­den muß. Die Mit­tel, die man anwen­den muß, sind ver­schie­den je nach der Sünde. Wer weiß, daß er bei sei­nen Erzäh­lun­gen regel­mä­ßig zu Über­trei­bun­gen, zu Lügen kommt, der muß weni­ger spre­chen. Das Mit­tel, um diese Sünde zu über­win­den, liegt darin, daß er weni­ger redet. Der Mensch hat zwei Ohren und einen Mund. Das ist ein Zei­chen dafür, daß er mehr hören als reden soll. Also die Probe auf die Echt­heit des Vor­sat­zes sind das Mei­den der Gele­gen­heit und das Anwen­den der not­wen­di­gen Mit­tel.

 Und wie ist es mit der Wiedergutmachung?

Die Sünde kann man nicht mehr unge­sche­hen machen. Ein Ereig­nis der Ver­gan­gen­heit läßt sich nicht mehr auf­he­ben. Es ist eine Tat­sa­che, und es bleibt eine Tat­sa­che. Was ver­än­dert wer­den kann, ist vor allem die Ver­ge­bung der Schuld, die mit die­ser Tat­sa­che ver­knüpft ist. Und noch etwas ande­res; man kann näm­lich die Aus­wir­kun­gen der Sünde, die in der Ver­gan­gen­heit liegt, besei­ti­gen. Bei vie­len Sün­den ist es mög­lich, den Scha­den, den die Sünde ange­rich­tet hat, wie­der­gut­zu­ma­chen. Wenn ich bei­spiels­weise jeman­den an der Ehre gekränkt, ihm unzu­läs­sig schwere Ver­feh­lun­gen zuge­schrie­ben habe, die er nicht began­gen hat, dann muß ich jenen, denen ich diese Ver­leum­dun­gen vor­ge­tra­gen habe, die Wahr­heit auf­de­cken. Die Kir­che hat die Pflicht zur Wie­der­gut­ma­chung in frü­he­ren Zei­ten, in bes­se­ren Zei­ten, als sie heute sind, sehr ernst genom­men. Wenn z.B. ein theo­lo­gi­scher Schrift­stel­ler ein kir­chen­feind­li­ches, ein zer­set­zen­des Buch geschrie­ben hatte, dann wurde er nicht eher los­ge­spro­chen, als bis er den Ent­schluß gefaßt hatte, die Bücher soweit wie mög­lich zurück­zu­kau­fen. Er konnte also beträcht­li­che Sum­men hin­le­gen, um die­sen schäd­li­chen Lese­stoff wie­der in seine Hand zu bekom­men. Oder um ein ande­res Bei­spiel zu erwäh­nen: Im 18. Jahr­hun­dert regierte in Frank­reich König Lud­wig XV., der Viel­ge­liebte, wie er hieß. Er war ein Mann, der Dut­zende oder viel­leicht gar Hun­derte von Frauen ver­braucht hat. Als er zum Ster­ben kam, hat ihm der Beicht­va­ter ein Schuld­be­kennt­nis vor ganz Frank­reich (seine Taten waren bekannt) abver­langt. Und das hat der König getan. Er hat ein Schrei­ben ver­faßt, das von den Kan­zeln aller fran­zö­si­schen Kir­chen ver­le­sen wurde, in dem er seine Schuld bekannte, sein Bedau­ern aus­sprach und die Gläu­bi­gen um Ver­zei­hung bat für das, was er auch ihnen durch sein schuld­haf­tes Leben ange­tan hatte. So ernst hat man in frü­he­ren Zei­ten die Reue und die aus der Reue flie­ßende Pflicht zur Wie­der­gut­ma­chung genom­men.

Wir alle soll­ten jeden Tag Reue erwe­cken. Der Abend ist der geeig­nete Zeit­punkt, zu dem wir ein Reue­ge­bet spre­chen soll­ten. Als Kin­der haben wir ein schö­nes Gebet gelernt. Es lau­tet: „O mein Gott und Herr, alle Sün­den mei­nes gan­zen Lebens sind mir leid von Grund mei­nes Her­zens, weil ich dadurch ver­dient habe, von dir, mei­nem gerech­ten Rich­ter, zeit­lich oder ewig gestraft zu wer­den, weil ich dir, mei­nem größ­ten Wohl­tä­ter, so undank­bar gewe­sen bin, beson­ders aber weil ich dich, den unend­lich guten Gott, dadurch belei­digt habe. Ich nehme mir ernst­lich vor, mein Leben zu bes­sern und nicht mehr zu sün­di­gen. O Jesus, gib mir deine Gnade dazu!“

Was sollen wir Bekennen?

Wir sol­len beken­nen alle schwe­ren Sün­den nach Art, Zahl und Umstän­den. Die läß­li­chen Sün­den sind nicht not­wen­dig im Bekennt­nis zu nen­nen. Aber es ist nütz­lich, erlaubt und heil­sam, auch die läß­li­chen Sün­den zu beken­nen, wer von uns kann mit hun­dert­pro­zen­ti­ger Sicher­heit sagen, wo die läß­li­che Sünde auf­hört und wo die schwere Sünde beginnt? Weil aber läß­li­che Sün­den und schwere Sün­den nicht leicht zu tren­nen sind, des­we­gen emp­fiehlt es sich, auch die läß­li­chen Sün­den zu beich­ten. Außer­dem ist die Unter­brei­tung aller Sün­den unter das Buß­ge­richt das wirk­samste Mit­tel zu ihrer Über­win­dung. Wer kleine Sün­den nicht ernst nimmt, der wird bald in gro­ßen Sün­den enden.

 Was ist das Sündenbekenntnis ?

Die schwere Sünde ist bekannt­lich dadurch gekenn­zeich­net, daß es sich um eine wich­tige Sache han­delt, wo wir mit freiem Wil­len und kla­rer Erkennt­nis gegen Got­tes Gebot ver­sto­ßen haben. Die schwe­ren Sün­den unter­schei­den sich der Art nach. Es ist ein Unter­schied, ob jemand heim­lich etwas ent­wen­det, was man Dieb­stahl nennt, oder ob jemand mit Gewalt einem ande­ren etwas ent­zieht, was Raub genannt wird. Die Beschaf­fen­heit des Ver­hal­tens ver­än­dert die Sünde, macht sie leich­ter oder schwe­rer. In jedem Falle ist die Kennt­nis der Art not­wen­dig, damit man die Sünde rich­tig erken­nen und wirk­sam bekämp­fen kann. Auch die Zahl ist wich­tig, ob einer ein­mal einen Dieb­stahl began­gen hat oder eine Serie von Dieb­stäh­len, wie jener Mann, der jetzt in Mainz vor Gericht steht wegen Ent­wen­dun­gen aus dem Stadt­ar­chiv. Das ist ein erheb­li­cher Unter­schied. Auch die Umstände kön­nen von Wich­tig­keit sein. In gro­ßer Not etwas ent­wen­den ist keine so schwere Sünde, wie aus dem Über­fluß oder aus Über­mut einem ande­ren Werte und Güter ent­zie­hen. Wer einem armen Manne das ein­zige Schaf weg­nimmt, das er besitzt, der begeht eine viel grö­ßere Sünde, als wer aus einer Herde von Tau­sen­den sich einen Ham­mel greift, um ihn sich anzu­eig­nen. Die Umstände kön­nen sich auch nach der Per­son wan­deln. Es ist ein schwe­re­res Ver­ge­hen, wenn ein Pries­ter bestimmte Sün­den tut, als wenn ein Laie sie begeht. Auf dem Pries­ter liegt eine höhere Ver­ant­wor­tung, und bei ihm gibt es spe­zi­fi­sche Ver­feh­lun­gen. Des­we­gen beginnt jeder Pries­ter sein eige­nes Sün­den­be­kennt­nis mit dem Satz: „Ich bin Pries­ter“, damit der Beicht­va­ter weiß, wen er vor sich hat.
Die Sün­den sind also nach Art, Zahl und artän­dern­den Umstän­den zu beken­nen. Natür­lich muß der Pöni­tent durch sein Bekennt­nis dem Beicht­va­ter die Gewiß­heit ver­schaf­fen, daß er dis­po­niert, d.h. vor­be­rei­tet ist, um die Sün­den recht zu erken­nen, recht zu ver­ab­scheuen und recht zu bekämp­fen. Zur Dis­po­si­tion gehö­ren die Reue, der Vor­satz und der Wie­der­gut­ma­chungs­wille. Um die Sün­den recht zu erken­nen, sind manch­mal Beicht­spie­gel hilf­reich. Beicht­spie­gel sind Sün­den­ver­zeich­nisse, die in den Gebet­bü­chern abge­druckt sind. Es gibt gute und weni­ger gute Beicht­spie­gel. Der Beicht­spie­gel im „Got­tes­lob“ gehört zu den weni­ger guten, weil da wich­tige Sün­den feh­len. Man kann sich nach den zehn Gebo­ten oder auch in ande­rer Weise erfor­schen, etwa, indem man die Sün­den gegen Gott, gegen den Nächs­ten und gegen sich selbst in drei­fa­cher Weise grup­piert.


Wel­che Hin­der­nisse, wel­che Wider­stände gibt es gegen das Beich­ten?

 Wel­che Schwie­rig­kei­ten erhe­ben sich dage­gen? An ers­ter Stelle erwähne ich die pro­tes­tan­ti­sche Pole­mik. Seit über vier­hun­dert Jah­ren rennt der Pro­tes­tan­tis­mus gegen das Bußsa­kra­ment an. Er hat ja die ver­pflich­tende Ein­zel­beichte abge­schafft und sucht sie jetzt auch den Katho­li­ken zu ver­lei­den, vor allem, wo Katho­li­ken mit Pro­tes­tan­ten zusam­men­le­ben, etwa in einer Mischehe, da suchen viele Pro­tes­tan­ten ihrem katho­li­schen Gat­ten das Beich­t­in­sti­tut madig zu machen. Das ist einer der Gründe, wes­we­gen dem Bußsa­kra­ment Schwie­rig­kei­ten ent­ge­gen­ste­hen. Ein zwei­ter Grund ist fal­sche Erzie­hung. Man darf nie­mals – nie­mals! – einem Kinde, das einen Feh­ler macht, sagen: „Das mußt du beich­ten!“ Das ist ein ganz schwe­rer Feh­ler, wenn man das einem Kinde sagt. Das Beich­t­in­sti­tut ist kein Erzie­hungs­mit­tel für das Wohl­ver­hal­ten in der Fami­lie. Das ist eine hei­lige und geheime Sache zwi­schen Gott und sei­nem Ver­tre­ter auf der einen Seite und dem Kind auf der ande­ren Seite, aber nicht ein Droh­mit­tel, um ein Kind zum Gehor­sam zu brin­gen. Fal­sche Erzie­hung kann hier ver­hee­rende Aus­wir­kun­gen haben.

Es gibt auch Unge­schick­lich­kei­ten bei der Dar­stel­lung des Bußsa­kra­men­tes. Nicht jeder Pries­ter, nicht jeder Reli­gi­ons­leh­rer ist ein guter Päd­agoge. Da kann es schon vor­kom­men, daß einem Kinde in der Dar­bie­tung des Bußsa­kra­men­tes Angst ein­ge­jagt wird oder eine fal­sche Scham erzeugt wird. Es wäre fatal, wenn so etwas geschähe. Natür­lich liegt im Bußsa­kra­ment, im Beich­ten selbst eine Ver­de­mü­ti­gung. Es ist ja nicht zu bestrei­ten, daß man seine Sün­den einem Men­schen bekennt, aller­dings einem Men­schen, der von Gott beauf­tragt ist, die­ses Bekennt­nis ent­ge­gen­zu­neh­men. Und das ist eine Ver­de­mü­ti­gung, da gibt es nichts zu rüt­teln. Aber um diese Ver­de­mü­ti­gung zu ver­ste­hen, läßt sich meh­rer­lei sagen. Ein­mal, brau­chen wir doch alle jeman­den, dem wir unsere Sor­gen, Ver­feh­lun­gen, Nöte und Schwä­chen anver­trauen. Die meis­ten Men­schen haben zum Glück einen Ver­trau­ten, einen Freund, eine Freun­din, denen sie ihre offe­nen oder gehei­men Nöte und Ängste anver­trauen. Und das ist rich­tig so. Der Mensch soll aus­spre­chen, was ihn bewegt und bedrückt. Damit wird es ihm leich­ter. Der Freund und die Freun­din nimmt teil an sei­nen Sor­gen, an sei­nen Schwä­chen, an sei­nen Kämp­fen, an sei­nen Nie­der­la­gen.


Was ist die Genugtuung oder die sakramentale Buße?

Die Reue schließt den Wil­len zur Genug­tu­ung in sich. Denn wer Abscheu hat gegen die Sünde und sie nicht mehr bege­hen will, der muß auch, soviel an ihm liegt, dar­auf bedacht sein, die schlim­men Wir­kun­gen der Sünde zu besei­ti­gen. Die Sünde selbst ist eine Tat der Ver­gan­gen­heit, sie ist nie mehr unge­sche­hen zu machen. Aber die Fol­gen, die Aus­wir­kun­gen, die Kon­se­quen­zen der Sünde kann man häu­fig kor­ri­gie­ren, und das eben ist Auf­gabe der Genug­tu­ung. Die Genug­tu­ung ist die Wie­der­gut­ma­chung eines einem ande­ren zuge­füg­ten Unrechts.

Die Genug­tu­ung rich­tet sich aber nicht nur gegen Men­schen, sie rich­tet sich auch gegen Gott. Die Sünde ist ja zual­ler­erst ein Unrecht gegen Gott. Und auch hier trifft die Defi­ni­tion zu: Wir müs­sen Genug­tu­ung leis­ten, das heißt wir müs­sen ver­su­chen, das Gott zuge­fügte Unrecht wie­der­gut­zu­ma­chen. Da könnte jemand ein­wen­den: Ja, hat denn nicht Jesus Chris­tus in sei­nem Leben, Lei­den, Ster­ben und Auf­er­ste­hen Genug­tu­ung geleis­tet? Ist nicht vor allem sein Kreu­zes­tod ein genug­tu­en­der Tod gewe­sen? Aber selbst­ver­ständ­lich! Die Genug­tu­ung, die wir Men­schen wegen unse­rer Sün­den zu leis­ten hät­ten, kön­nen wir nicht leis­ten. Sie geht über unsere Kraft, über unser Ver­mö­gen hin­aus, denn die Gott ange­tane Krän­kung ist vom Men­schen nicht wie­der­gut­zu­ma­chen.
Darum hat sich der Sohn Got­tes auf­ge­macht, um diese Krän­kung wie­der­gut­zu­ma­chen. Durch sein Leben, Lei­den und Ster­ben hat er Genug­tu­ung geleis­tet. Doch diese Genug­tu­ung muß auf uns über­ge­hen. Wir müs­sen uns die Genug­tu­ung Jesu aneig­nen. Es nützt nichts, wenn man Durst hat, daß in der Ferne ein Strom blinkt, man muß zu dem Was­ser eilen und von ihm trin­ken, um den Durst zu löschen. Ähn­lich ist es auch mit der Genug­tu­ung, die Jesus geleis­tet hat. Die objek­tive Genug­tu­ung muß sub­jek­tiv ange­eig­net wer­den.
Wie wird die objek­tive Genug­tu­ung sub­jek­tiv ange­eig­net? Wir eig­nen uns die Genug­tu­ung Jesu an, indem wir unse­rer­seits Werke der Genug­tu­ung ver­rich­ten. Pflicht­er­fül­lung, Werke der Liebe, Gebet, Selbst­ver­leug­nung, Geduld im Lei­den, das sind Werke der Genug­tu­ung. Und durch diese Werke der Genug­tu­ung kommt gleich­sam die Genug­tu­ung Jesu zu uns. Wir erset­zen nicht die Genug­tu­ung Jesu, wir erklä­ren sie auch nicht für unzu­rei­chend, son­dern wir eig­nen uns die objek­tive Genug­tu­ung sub­jek­tiv an. Wir erfül­len nur die Absicht Jesu, die er bei sei­ner Genug­tu­ung hatte, näm­lich sie zu allen Men­schen drin­gen zu las­sen, damit sie ihrer­seits in der Kraft der Genug­tu­ung Jesu Wie­der­gut­ma­chung leis­ten kön­nen.
Die Genug­tu­ung des Men­schen gegen­über Gott sind also die sitt­li­chen Anstren­gun­gen, die im Glau­ben an Jesus Chris­tus und in Ver­ei­ni­gung mit Jesus Chris­tus und in der Gnade Jesu Christi geleis­te­ten sitt­li­chen Anstren­gun­gen, in der Tat der ver­letz­ten Gerech­tig­keit und Güte Got­tes Genug­tu­ung zu leis­ten, Wie­der­gut­ma­chung zu ver­schaf­fen. Sitt­li­che Anstren­gun­gen, die aus dem Glau­ben an Chris­tus und sei­nem Genug­tu­ungs­werk kom­men, sitt­li­che Anstren­gun­gen, die in der Gnade ver­rich­tet wer­den, sitt­li­che Anstren­gun­gen, mit denen wir uns bemü­hen, der Gerech­tig­keit, der ver­letz­ten Gerech­tig­keit und Güte Got­tes genug­zu­tun.
Eine beson­dere Qua­li­tät neh­men unsere Genug­tu­ungs­werke an, wenn wir im Bußsa­kra­ment eine Buße auf­be­kom­men. Diese Buße, diese Buß­werke, die wir vom Pries­ter auf­er­legt bekom­men, die­nen der Genug­tu­ung. Sie sol­len Wie­der­gut­ma­chung für das Gott durch die Sünde zuge­fügte Unrecht schaf­fen, soweit das in unse­rer Kraft steht und soweit das nach dem Süh­ne­werk Christi noch nötig und mög­lich ist. Die Buß­werke, die der Pries­ter uns nach Ver­ge­bung der Sün­den und der ewi­gen Strafe auf­er­legt, die­nen vor allem der Nach­las­sung zeit­li­cher Sün­den­stra­fen, denn das Bußsa­kra­ment wirkt anders als die Taufe. Wer getauft wird, dem sind alle Sün­den­stra­fen ver­ge­ben, die ewige und die zeit­li­che Strafe. Wer das Bußsa­kra­ment emp­fängt, wür­dig emp­fängt, dem ist die ewige Strafe immer ver­ge­ben, aber nicht immer wer­den die zeit­li­chen Stra­fen, die also in der Zeit, ent­we­der hier oder drü­ben im Rei­ni­gungs­zu­stand abzu­bü­ßen­den Stra­fen ver­ge­ben. Zu die­sem Zweck hat der Pries­ter das Recht und die Pflicht, Buß­werke auf­zu­er­le­gen. Das Kon­zil von Tri­ent hat gegen die Neue­rer des 16. Jahr­hun­derts defi­niert: „Der Pries­ter ist berech­tigt und ver­pflich­tet, heil­same und ange­mes­sene Buß­werke dem Pöni­ten­ten auf­zu­er­le­gen.“ Heil­same und ange­mes­sene! Damit ist die dop­pelte Rich­tung ange­deu­tet, der dop­pelte Zweck genannt, den diese Buß­werke haben. Heil­sam, das heißt, sie sol­len die Seele hei­len, für die Zukunft Sorge tra­gen, daß die Sünde nicht wie­der­holt wird. Die Buß­werke wer­den in der Absicht, die bösen Nei­gun­gen im Men­schen zu dämp­fen und zu über­win­den, auf­er­legt. Die Buß­werke sol­len ange­mes­sen sein. Das heißt: Sie sind zu bemes­sen nach den bekann­ten Sün­den.
 

Die heu­tige Buß­pra­xis die­ser dop­pel­ten Auf­gabe nicht in vol­lem Umfange gewach­sen. Warum nicht? Ers­tens des­we­gen, weil die Buß­auf­la­gen allzu milde sind. Mir sagte ein­mal eine brave Frau: „Es ist zuviel Güte im Beicht­stuhl.“ Sie meinte, die Bußen, die da gege­ben wer­den, sind lächer­lich gering. Und sie hatte wahr­schein­lich recht, da wir wis­sen, daß die Buß­auf­la­gen im Gegen­satz zur alten Zeit heute sehr leicht sind. Es gibt Leute, und ich habe es schon erlebt, die einem im Bußsa­kra­ment sagen: „Geben Sie mir eine schwere Buße auf!“ Oder wenn man schon eine gege­ben hat: „Geben Sie mir eine schwe­rere Buße auf!“ Sie haben das Gespür, daß ein Miß­ver­hält­nis besteht zwi­schen dem, was sie ange­stellt haben, und dem, was sie jetzt durch Buß­werke wie­der­gut­ma­chen sol­len. Diese Men­schen haben ein rech­tes Gefühl für das Ver­hält­nis zwi­schen Sünde und Strafe, denn der Pries­ter hat die Pflicht, für schwere Sün­den eine schwere Buße auf­zu­er­le­gen und für leichte Sün­den eine leichte Buße. Doch wel­cher Pries­ter traut sich heute noch, für schwere Sün­den eine schwere Buße auf­zu­er­le­gen? Es ist aber seine Pflicht.

Die Schwere der Buße zu bemes­sen auch nach dem Ver­mö­gen des Pöni­ten­ten, also nach sei­ner Kraft, sei­ner kör­per­li­chen und see­li­schen Kraft, und selbst­ver­ständ­lich muß jeder Pries­ter auch irgend­wie Rück­sicht neh­men auf den Brauch, wie er nun ein­mal in der Kir­che ein­ge­führt ist, denn sonst würde er die Leute ver­schre­cken und könnte gewiß sein, daß man ihn – er kann sich dage­gen nicht weh­ren – in der Öffent­lich­keit brand­markt und schlecht macht. Aber es besteht – noch ein­mal – die Pflicht des Pries­ters, für schwere Sün­den eine schwere Buße auf­zu­er­le­gen.

Die zweite Schwä­che des gegen­wär­ti­gen Beich­tens liegt darin, daß fast nur Gebets­bu­ßen auf­er­legt wer­den. Da kann man sich fra­gen: Ja, ist das denn über­haupt eine Buße, wenn man mit dem Vater im Him­mel spre­chen darf? Ist das denn eine Strafe, daß man zum himm­li­schen Vater sein Herz erhe­ben und ihn anfle­hen und ihn loben und ihm dan­ken darf? Doch, für uns schon! Für uns, die wir lie­ber in der Sonne lie­gen oder vor dem Fern­se­her sit­zen oder den Genüs­sen des Essens und des Trin­kens uns hin­ge­ben, für uns ist es eine Buße, wenn wir mit dem Vater im Him­mel spre­chen müs­sen. Inso­fern ist also die Gebets­buße tat­säch­lich für uns Men­schen gerin­ger Got­tes­liebe eine Buße, d.h. eine Strafe. Aber frei­lich, wenn man Gebets­bu­ßen auf­er­legt, dann soll­ten sie einen gewis­sen Umfang anneh­men. Mir ist es schon pas­siert, daß jemand sagte, als ich ihm auf­gab, einen Rosen­kranz zu beten: „Einen gan­zen?“


Aber jetzt kommt noch eine dritte Schwie­rig­keit. Die Bußen müß­ten an sich ver­rich­tet wer­den vor der Los­spre­chung. An sich wäre es not­wen­dig, die Buß­werke, die Stra­fen, die ein inte­grie­ren­der Bestand­teil des Bußsa­kra­men­tes sind, gleich nach der Auf­lage zu ver­rich­ten und dann wie­der­zu­kom­men und zu sagen: Jetzt habe ich die Werke ver­rich­tet, jetzt erbitte ich die Los­spre­chung. Und so ist es jahr­hun­der­te­lang in der Kir­che gewe­sen. Im gan­zen 1. Jahr­tau­send wurde die Buß­auf­lage dem Pöni­ten­ten gege­ben. Er hatte sie zu ver­rich­ten, und nach der Ver­rich­tung emp­fing er die Los­spre­chung. Heute – und etwa seit dem Jahre 1000 (Burchard von Worms) – begnügt man sich mit der Zustim­mung des Pöni­ten­ten zu der Auf­le­gung der Buße. Man ver­traut dar­auf, daß er auch nach der Los­spre­chung die Buß­auf­lage ver­rich­ten wird. Und das ist wich­tig, denn die Ver­rich­tung der Buß­auf­lage ist ein Bestand­teil des Bußsa­kra­men­tes. Wer sie nicht ver­rich­tet, der begeht eine neue Sünde. Man soll sie also gleich, gewis­sen­haft und genau ver­rich­ten.

Wie lautet die Lossprechungsformel des Priesters bei der Beichte ?

"Gott, der barmherzige Vater hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des   Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."

 Predigten von Professor May