Was ist die Beichte ?
Beichte ist die Selbstanklage .Die Beichte ist die Vergebung unserer Sünden um die nach der
Taufe begangenen Sünden nachzulassen. Jesus Christus selbst hat dieses
Sakrament eingesetzt, als er seinen Aposteln die Sünden- vergebungsgewalt
übertrug mit den Worten:
"Empfanget den
Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden nachlasset, dem sind sie nachgelassen; wem
ihr sie behaltet, dem sind sie behalten" (Joh 20, 22 f).
Darf jeder Beichten?
Der Empfänger des Bußsakramentes ist jeder getaufte Christ, der
Sünden begangen hat. Jeder getaufte Christ! Ein Ungetaufter kann das
Bußsakrament nicht empfangen. Warum nicht? Er besitzt nicht die
Inkorporation in Christus. Er ist kein Christusgehöriger. Er
hat nicht die Züge Jesu, die ihm in der Taufe eingeprägt werden, und
die Taufe ist nun einmal die
janua sacramentorum – das Tor,
das Eingangstor in die sakramentale Welt. Ohne den Empfang der
Taufe ist der Empfang eines anderen Sakramentes ausgeschlossen,
auch der des Bußsakramentes. Nur ein Getaufter kann das
Bußsakrament empfangen.
Wer ist
der Spender der Beichte?
Die Vollmacht zur Sündenvergebung wird dem Priester übertragen
bei der Priesterweihe. Da werden eigens bestimmte Worte vom
weihenden Bischof ausgesprochen, die auf die Übertragung der
Sündenvergebungsvollmacht Bezug nehmen. Aber um Sünden
tatsächlich zu vergeben, genügt die bei der Weihe übertragene
Gewalt nicht. Sie werden erstaunen, wenn ich das sage, denn die
meisten Gläubigen wissen nicht, daß zur Spendung des
Bußsakramentes nicht nur Weihegewalt, sondern auch
Jurisdiktionsgewalt notwendig ist. Der eben geweihte Priester
hat noch keine volle Sündenvergebungsgewalt, und der laisierte
Priester hat keine Sündenvergebungsgewalt mehr, weil bei ihm die
Jurisdiktionsgewalt, die zur Sündenvergebung notwendig ist,
noch nicht bzw. nicht mehr vorhanden ist. Es muß also dem Priester,
der wirksam das Bußsakrament verwalten soll, auch noch eine
Ordnungsgewalt übertragen werden, die wir Jurisdiktion nennen,
die ihm erst die Untergebenen verschafft, an denen er dann kraft
seiner Weihegewalt die Lossprechung vollziehen kann. In
Notfällen ergänzt die Kirche die fehlende Jurisdiktionsgewalt.
Wenn ein Priester sich von seinem heiligen Beruf entfernt hat und
in eine Lage gerät, wo kein anderer Priester vorhanden ist, und
jemand ihn bittet, die Lossprechung zu vollziehen, da überträgt
die Kirche für diesen Notfall, für diesen gefährlichen Notfall,
dem abtrünnigen Priester die Jurisdiktionsgewalt, um gültig die
Lossprechung vornehmen zu können.
Wie
viele und welche Dinge sind erfordert, um eine gute Beichte abzulegen?
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Um eine gute
Beichte abzulegen, sind fünf Dinge erforderlich:
1. Gewissenserforschung; 2. Reue über die Sünden; 3. Guter
Vorsatz; 4. Sündenbekenntnis; 5. Buße
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Was ist die Gewissenserforschung?
Die Gewissenserforschung geschieht dadurch, dass man sich nach vorherigem
andächtigem Gebet (besonders zum Heiligen Geist) die Sünden seit der letzten
gültig abgelegten Beichte in Erinnerung ruft, die man in Gedanken, Worten und
Werken, durch Unterlassung gegen die Gebote Gottes, gegen die Vorschriften der
Kirche und gegen die Pflichten des eigenen Standes begangen hat.
Der Beichtspiegel dient dabei als Gedächtnisstütze und ist
ein Hilfsmittel zur Gewissensbildung.
Hier der:
Was ist
die Reue ?
Es gibt
zwei Arten von Reue: die vollkommene Reue oder Liebesreue und die unvollkommene
oder Furchtreue.Die vollkommene Reue ergibt sich aus der vollkommenen
Gottesliebe, die unvollkommene Reue aus der unvollkommenen
Gottesliebe. Wann ist die Gottesliebe unvollkommen? Nun, wenn die
Motive, Gott zu lieben, schwächer sind. Auf diese Atrt von Liebe
lassen sich die anderen übernatürlichen Beweggründe
zurückführen, um deretwillen wir die Sünde meiden, meiden wollen,
zu meiden beabsichtigen, wenn wir also die Sünde als einen Schaden
für uns ansehen, weil wir dadurch die Seele befleckt und Strafe
verdient haben. Das sind die gewöhnlichsten und häufigsten Motive
der unvollkommenen Reue. Wir haben die Häßlichkeit der Sünde
erkannt, die uns die seelische Schönheit nimmt, und wir haben die
Strafe vor Augen, die wir dafür verdient haben, denn Sünden
verdienen Strafe. Derjenige, der sündigt, handelt sich damit
Strafe von Gott ein. Es gibt Sündenstrafen, zeitliche, hier oder im
Fegfeuer abzubüßende, und ewige Sündenstrafen; die Verdammnis,
das ist die ewige Sündenstrafe. Und davor scheuen wir natürlich
zurück, und das ist die unvollkommene Reue, die auf die Häßlichkeit
der Sünde und auf die dafür verwirkte Strafe blickt. Die Furcht vor der
Strafe ist ein Motiv der unvollkommenen Reue.Wir können also mit unvollkommener Reue zur heiligen Beichte
gehen. Es ist ein Lehrsatz, daß für das Bußsakrament die
unvollkommene Reue genügt. Der lateinische Ausdruck heißt attritio, unvollkommene Reue, im Unterschied von der contritio,
der vollkommenen Reue. Natürlich sollen wir nach der
vollkommenen Reue streben. Natürlich sollen wir uns bemühen, Gott
um seiner selbst willen zu lieben, aber wer es noch nicht
fertigbringt, der sei beruhigt; seine Beichte ist gültig, die
Lossprechung wird empfangen, wenn er wenigstens mit
unvollkommener Reue zu diesem heiligen Sakrament schreitet.
Was ist
der gute Vorsatz ?
Wer die Sünde verabscheut, der muß natürlich ohne weiteres auch die
Absicht haben, sie nicht mehr zu tun. Denn wie sollte er sie
verabscheuen und gleichzeitig den Willen haben, sie wieder zu
begehen? Also mit der Reue ist der Vorsatz notwendig verbunden.
Eine Reue ohne Vorsatz ist keine wahre Reue. Ein Büßer, der zur Beichte
ginge ohne Vorsatz, würde die Lossprechung ungültig empfangen.
Worauf muß sich der Vorsatz richten? Er muß sich darauf richten,
alle schweren Sünden zu meiden, ohne Ausnahme. Er darf keine
ausnehmen. Er muß sich von allen schweren Sünden nicht nur für die
Vergangenheit abwenden, sondern auch für die Zukunft. Er muß sich
vornehmen, alle schweren Sünden zu meiden. Wenn jemand durch lange
Erfahrung weiß, daß er, wenn er einmal ein Glas Alkohol genossen
hat, kein Halten mehr kennt, sondern sich sinnlos betrinkt, dann muß
er das eine Glas Alkohol meiden; das ist die Gelegenheit, die er
meiden muß. Die Mittel, die man anwenden muß, sind verschieden je
nach der Sünde. Wer weiß, daß er bei seinen Erzählungen regelmäßig
zu Übertreibungen, zu Lügen kommt, der muß weniger sprechen. Das
Mittel, um diese Sünde zu überwinden, liegt darin, daß er weniger
redet. Der Mensch hat zwei Ohren und einen Mund. Das ist ein Zeichen
dafür, daß er mehr hören als reden soll. Also die Probe auf die
Echtheit des Vorsatzes sind das Meiden der Gelegenheit und das
Anwenden der notwendigen Mittel.
Und
wie ist es mit der Wiedergutmachung?
Die Sünde kann man nicht mehr ungeschehen machen. Ein Ereignis der
Vergangenheit läßt sich nicht mehr aufheben. Es ist eine
Tatsache, und es bleibt eine Tatsache. Was verändert werden kann,
ist vor allem die Vergebung der Schuld, die mit dieser Tatsache
verknüpft ist. Und noch etwas anderes; man kann nämlich die
Auswirkungen der Sünde, die in der Vergangenheit liegt,
beseitigen. Bei vielen Sünden ist es möglich, den Schaden, den die
Sünde angerichtet hat, wiedergutzumachen. Wenn ich
beispielsweise jemanden an der Ehre gekränkt, ihm unzulässig
schwere Verfehlungen zugeschrieben habe, die er nicht begangen
hat, dann muß ich jenen, denen ich diese Verleumdungen vorgetragen
habe, die Wahrheit aufdecken. Die Kirche hat die Pflicht zur
Wiedergutmachung in früheren Zeiten, in besseren Zeiten, als
sie heute sind, sehr ernst genommen. Wenn z.B. ein theologischer
Schriftsteller ein kirchenfeindliches, ein zersetzendes Buch
geschrieben hatte, dann wurde er nicht eher losgesprochen, als bis
er den Entschluß gefaßt hatte, die Bücher soweit wie möglich
zurückzukaufen. Er konnte also beträchtliche Summen hinlegen, um
diesen schädlichen Lesestoff wieder in seine Hand zu bekommen.
Oder um ein anderes Beispiel zu erwähnen: Im 18. Jahrhundert
regierte in Frankreich König Ludwig XV., der Vielgeliebte, wie er
hieß. Er war ein Mann, der Dutzende oder vielleicht gar Hunderte von
Frauen verbraucht hat. Als er zum Sterben kam, hat ihm der
Beichtvater ein Schuldbekenntnis vor ganz Frankreich (seine Taten
waren bekannt) abverlangt. Und das hat der König getan. Er hat ein
Schreiben verfaßt, das von den Kanzeln aller französischen
Kirchen verlesen wurde, in dem er seine Schuld bekannte, sein
Bedauern aussprach und die Gläubigen um Verzeihung bat für das,
was er auch ihnen durch sein schuldhaftes Leben angetan hatte. So
ernst hat man in früheren Zeiten die Reue und die aus der Reue
fließende Pflicht zur Wiedergutmachung genommen.
Wir alle sollten jeden Tag Reue erwecken. Der Abend ist der geeignete
Zeitpunkt, zu dem wir ein Reuegebet sprechen sollten. Als Kinder
haben wir ein schönes Gebet gelernt. Es lautet: „O mein Gott und Herr,
alle Sünden meines ganzen Lebens sind mir leid von Grund meines
Herzens, weil ich dadurch verdient habe, von dir, meinem gerechten
Richter, zeitlich oder ewig gestraft zu werden, weil ich dir, meinem
größten Wohltäter, so undankbar gewesen bin, besonders aber weil
ich dich, den unendlich guten Gott, dadurch beleidigt habe. Ich nehme
mir ernstlich vor, mein Leben zu bessern und nicht mehr zu sündigen.
O Jesus, gib mir deine Gnade dazu!“
Was sollen wir Bekennen?
Wir sollen bekennen alle schweren Sünden
nach Art, Zahl und Umständen. Die läßlichen Sünden sind nicht
notwendig im Bekenntnis zu nennen. Aber es ist nützlich, erlaubt
und heilsam, auch die läßlichen Sünden zu bekennen, wer von uns kann mit hundertprozentiger
Sicherheit sagen, wo die läßliche Sünde aufhört und wo die schwere
Sünde beginnt? Weil aber läßliche Sünden und schwere Sünden nicht
leicht zu trennen sind, deswegen empfiehlt es sich, auch die
läßlichen Sünden zu beichten. Außerdem ist die Unterbreitung
aller Sünden unter das Bußgericht das wirksamste Mittel zu ihrer
Überwindung. Wer kleine Sünden nicht ernst nimmt, der wird bald in
großen Sünden enden.
Was ist das
Sündenbekenntnis ?
Die schwere Sünde ist bekanntlich dadurch gekennzeichnet, daß es
sich um eine wichtige Sache handelt, wo wir mit freiem Willen und
klarer Erkenntnis gegen Gottes Gebot verstoßen haben. Die schweren
Sünden unterscheiden sich der Art nach. Es ist ein Unterschied, ob
jemand heimlich etwas entwendet, was man Diebstahl nennt, oder ob
jemand mit Gewalt einem anderen etwas entzieht, was Raub genannt wird.
Die Beschaffenheit des Verhaltens verändert die Sünde, macht sie
leichter oder schwerer. In jedem Falle ist die Kenntnis der Art
notwendig, damit man die Sünde richtig erkennen und wirksam
bekämpfen kann. Auch die Zahl ist wichtig, ob einer einmal einen
Diebstahl begangen hat oder eine Serie von Diebstählen, wie jener
Mann, der jetzt in Mainz vor Gericht steht wegen Entwendungen aus dem
Stadtarchiv. Das ist ein erheblicher Unterschied. Auch die
Umstände können von Wichtigkeit sein. In großer Not etwas
entwenden ist keine so schwere Sünde, wie aus dem Überfluß oder aus
Übermut einem anderen Werte und Güter entziehen. Wer einem armen
Manne das einzige Schaf wegnimmt, das er besitzt, der begeht eine viel
größere Sünde, als wer aus einer Herde von Tausenden sich einen
Hammel greift, um ihn sich anzueignen. Die Umstände können sich auch
nach der Person wandeln. Es ist ein schwereres Vergehen, wenn ein
Priester bestimmte Sünden tut, als wenn ein Laie sie begeht. Auf dem
Priester liegt eine höhere Verantwortung, und bei ihm gibt es
spezifische Verfehlungen. Deswegen beginnt jeder Priester sein
eigenes Sündenbekenntnis mit dem Satz: „Ich bin Priester“, damit
der Beichtvater weiß, wen er vor sich hat.
Die Sünden sind also nach Art, Zahl und artändernden Umständen zu
bekennen. Natürlich muß der Pönitent durch sein Bekenntnis dem
Beichtvater die Gewißheit verschaffen, daß er disponiert, d.h.
vorbereitet ist, um die Sünden recht zu erkennen, recht zu
verabscheuen und recht zu bekämpfen. Zur Disposition gehören die
Reue, der Vorsatz und der Wiedergutmachungswille. Um die Sünden
recht zu erkennen, sind manchmal Beichtspiegel hilfreich.
Beichtspiegel sind Sündenverzeichnisse, die in den Gebetbüchern
abgedruckt sind. Es gibt gute und weniger gute Beichtspiegel. Der
Beichtspiegel im „Gotteslob“ gehört zu den weniger guten, weil da
wichtige Sünden fehlen. Man kann sich nach den zehn Geboten oder
auch in anderer Weise erforschen, etwa, indem man die Sünden gegen
Gott, gegen den Nächsten und gegen sich selbst in dreifacher Weise
gruppiert.
Welche Hindernisse, welche Widerstände
gibt es gegen das Beichten?
Welche Schwierigkeiten erheben sich dagegen? An erster Stelle
erwähne ich die protestantische Polemik. Seit über vierhundert
Jahren rennt der Protestantismus gegen das Bußsakrament an. Er
hat ja die verpflichtende Einzelbeichte abgeschafft und sucht sie
jetzt auch den Katholiken zu verleiden, vor allem, wo Katholiken
mit Protestanten zusammenleben, etwa in einer Mischehe, da suchen
viele Protestanten ihrem katholischen Gatten das
Beichtinstitut madig zu machen. Das ist einer der Gründe, weswegen
dem Bußsakrament Schwierigkeiten entgegenstehen. Ein zweiter
Grund ist falsche Erziehung. Man darf niemals – niemals! – einem
Kinde, das einen Fehler macht, sagen: „Das mußt du beichten!“ Das ist
ein ganz schwerer Fehler, wenn man das einem Kinde sagt. Das
Beichtinstitut ist kein Erziehungsmittel für das Wohlverhalten
in der Familie. Das ist eine heilige und geheime Sache zwischen Gott
und seinem Vertreter auf der einen Seite und dem Kind auf der
anderen Seite, aber nicht ein Drohmittel, um ein Kind zum Gehorsam
zu bringen. Falsche Erziehung kann hier verheerende Auswirkungen
haben.
Es gibt auch Ungeschicklichkeiten bei der Darstellung des
Bußsakramentes. Nicht jeder Priester, nicht jeder
Religionslehrer ist ein guter Pädagoge. Da kann es schon
vorkommen, daß einem Kinde in der Darbietung des Bußsakramentes
Angst eingejagt wird oder eine falsche Scham erzeugt wird. Es wäre
fatal, wenn so etwas geschähe. Natürlich liegt im Bußsakrament, im
Beichten selbst eine Verdemütigung. Es ist ja nicht zu bestreiten,
daß man seine Sünden einem Menschen bekennt, allerdings einem
Menschen, der von Gott beauftragt ist, dieses Bekenntnis
entgegenzunehmen. Und das ist eine Verdemütigung, da gibt es
nichts zu rütteln. Aber um diese Verdemütigung zu verstehen, läßt
sich mehrerlei sagen. Einmal, brauchen wir
doch alle jemanden, dem wir unsere Sorgen, Verfehlungen, Nöte und
Schwächen anvertrauen. Die meisten Menschen haben zum Glück einen
Vertrauten, einen Freund, eine Freundin, denen sie ihre offenen oder
geheimen Nöte und Ängste anvertrauen. Und das ist richtig so. Der
Mensch soll aussprechen, was ihn bewegt und bedrückt. Damit wird es
ihm leichter. Der Freund und die Freundin nimmt teil an seinen
Sorgen, an seinen Schwächen, an seinen Kämpfen, an seinen
Niederlagen.
Was ist
die Genugtuung oder die sakramentale Buße?
Die Reue schließt den Willen zur Genugtuung in sich. Denn
wer Abscheu hat gegen die Sünde und sie nicht mehr begehen will, der muß auch,
soviel an ihm liegt, darauf bedacht sein, die schlimmen Wirkungen der Sünde
zu beseitigen. Die Sünde selbst ist eine Tat der Vergangenheit, sie ist
nie mehr ungeschehen zu machen. Aber die Folgen, die Auswirkungen, die
Konsequenzen der Sünde kann man häufig korrigieren, und das eben ist Aufgabe
der Genugtuung. Die Genugtuung ist die Wiedergutmachung eines einem
anderen zugefügten Unrechts.
Die Genugtuung richtet sich aber nicht nur gegen Menschen, sie
richtet sich auch gegen Gott. Die Sünde ist ja zuallererst ein
Unrecht gegen Gott. Und auch hier trifft die Definition zu: Wir
müssen Genugtuung leisten, das heißt wir müssen versuchen, das
Gott zugefügte Unrecht wiedergutzumachen. Da könnte jemand
einwenden: Ja, hat denn nicht Jesus Christus in seinem Leben,
Leiden, Sterben und Auferstehen Genugtuung geleistet? Ist nicht
vor allem sein Kreuzestod ein genugtuender Tod gewesen? Aber
selbstverständlich! Die Genugtuung, die wir Menschen wegen
unserer Sünden zu leisten hätten, können wir nicht leisten. Sie
geht über unsere Kraft, über unser Vermögen hinaus, denn die Gott
angetane Kränkung ist vom Menschen nicht wiedergutzumachen.
Darum hat sich der Sohn Gottes aufgemacht, um diese Kränkung
wiedergutzumachen. Durch sein Leben, Leiden und Sterben hat er
Genugtuung geleistet. Doch diese Genugtuung muß auf uns
übergehen. Wir müssen uns die Genugtuung Jesu aneignen. Es nützt
nichts, wenn man Durst hat, daß in der Ferne ein Strom blinkt, man muß
zu dem Wasser eilen und von ihm trinken, um den Durst zu löschen.
Ähnlich ist es auch mit der Genugtuung, die Jesus geleistet hat. Die
objektive Genugtuung muß subjektiv angeeignet werden.
Wie wird die objektive Genugtuung subjektiv angeeignet? Wir
eignen uns die Genugtuung Jesu an, indem wir unsererseits Werke der
Genugtuung verrichten. Pflichterfüllung, Werke der Liebe, Gebet,
Selbstverleugnung, Geduld im Leiden, das sind Werke der
Genugtuung. Und durch diese Werke der Genugtuung kommt gleichsam
die Genugtuung Jesu zu uns. Wir ersetzen nicht die Genugtuung Jesu,
wir erklären sie auch nicht für unzureichend, sondern wir eignen
uns die objektive Genugtuung subjektiv an. Wir erfüllen nur die
Absicht Jesu, die er bei seiner Genugtuung hatte, nämlich sie zu
allen Menschen dringen zu lassen, damit sie ihrerseits in der Kraft
der Genugtuung Jesu Wiedergutmachung leisten können.
Die Genugtuung des Menschen gegenüber Gott sind also die
sittlichen Anstrengungen, die im Glauben an Jesus Christus und in
Vereinigung mit Jesus Christus und in der Gnade Jesu Christi
geleisteten sittlichen Anstrengungen, in der Tat der verletzten
Gerechtigkeit und Güte Gottes Genugtuung zu leisten,
Wiedergutmachung zu verschaffen. Sittliche Anstrengungen, die
aus dem Glauben an Christus und seinem Genugtuungswerk kommen,
sittliche Anstrengungen, die in der Gnade verrichtet werden,
sittliche Anstrengungen, mit denen wir uns bemühen, der
Gerechtigkeit, der verletzten Gerechtigkeit und Güte Gottes
genugzutun.
Eine besondere Qualität nehmen unsere Genugtuungswerke an,
wenn wir im Bußsakrament eine Buße aufbekommen. Diese Buße, diese
Bußwerke, die wir vom Priester auferlegt bekommen, dienen der
Genugtuung. Sie sollen Wiedergutmachung für das Gott durch die
Sünde zugefügte Unrecht schaffen, soweit das in unserer Kraft steht
und soweit das nach dem Sühnewerk Christi noch nötig und möglich ist.
Die Bußwerke, die der Priester uns nach Vergebung der Sünden und
der ewigen Strafe auferlegt, dienen vor allem der Nachlassung
zeitlicher Sündenstrafen, denn das Bußsakrament wirkt anders als
die Taufe. Wer getauft wird, dem sind alle Sündenstrafen vergeben,
die ewige und die zeitliche Strafe. Wer das Bußsakrament empfängt,
würdig empfängt, dem ist die ewige Strafe immer vergeben, aber nicht
immer werden die zeitlichen Strafen, die also in der Zeit,
entweder hier oder drüben im Reinigungszustand abzubüßenden
Strafen vergeben. Zu diesem Zweck hat der Priester das Recht und
die Pflicht, Bußwerke aufzuerlegen. Das Konzil von Trient hat
gegen die Neuerer des 16. Jahrhunderts definiert: „Der Priester ist
berechtigt und verpflichtet, heilsame und angemessene Bußwerke
dem Pönitenten aufzuerlegen.“ Heilsame und angemessene! Damit
ist die doppelte Richtung angedeutet, der doppelte Zweck genannt,
den diese Bußwerke haben. Heilsam, das heißt, sie sollen die Seele
heilen, für die Zukunft Sorge tragen, daß die Sünde nicht wiederholt
wird. Die Bußwerke werden in der Absicht, die bösen Neigungen im
Menschen zu dämpfen und zu überwinden, auferlegt. Die Bußwerke
sollen angemessen sein. Das heißt: Sie sind zu bemessen nach den
bekannten Sünden.
Die heutige Bußpraxis dieser doppelten Aufgabe nicht in
vollem Umfange gewachsen. Warum nicht? Erstens deswegen, weil die
Bußauflagen allzu milde sind. Mir sagte einmal eine brave Frau: „Es
ist zuviel Güte im Beichtstuhl.“ Sie meinte, die Bußen, die da gegeben
werden, sind lächerlich gering. Und sie hatte wahrscheinlich recht,
da wir wissen, daß die Bußauflagen im Gegensatz zur alten Zeit
heute sehr leicht sind. Es gibt Leute, und ich habe es schon erlebt, die
einem im Bußsakrament sagen: „Geben Sie mir eine schwere Buße auf!“
Oder wenn man schon eine gegeben hat: „Geben Sie mir eine schwerere
Buße auf!“ Sie haben das Gespür, daß ein Mißverhältnis besteht
zwischen dem, was sie angestellt haben, und dem, was sie jetzt durch
Bußwerke wiedergutmachen sollen. Diese Menschen haben ein
rechtes Gefühl für das Verhältnis zwischen Sünde und Strafe, denn
der Priester hat die Pflicht, für schwere Sünden eine schwere Buße
aufzuerlegen und für leichte Sünden eine leichte Buße. Doch
welcher Priester traut sich heute noch, für schwere Sünden eine
schwere Buße aufzuerlegen? Es ist aber seine Pflicht.
Die Schwere der Buße zu bemessen auch nach dem
Vermögen des Pönitenten, also nach seiner Kraft, seiner
körperlichen und seelischen Kraft, und selbstverständlich muß
jeder Priester auch irgendwie Rücksicht nehmen auf den Brauch, wie
er nun einmal in der Kirche eingeführt ist, denn sonst würde er die
Leute verschrecken und könnte gewiß sein, daß man ihn – er kann sich
dagegen nicht wehren – in der Öffentlichkeit brandmarkt und
schlecht macht. Aber es besteht – noch einmal – die Pflicht des
Priesters, für schwere Sünden eine schwere Buße aufzuerlegen.
Die zweite Schwäche des gegenwärtigen Beichtens liegt darin, daß
fast nur Gebetsbußen auferlegt werden. Da kann man sich fragen:
Ja, ist das denn überhaupt eine Buße, wenn man mit dem Vater im Himmel
sprechen darf? Ist das denn eine Strafe, daß man zum himmlischen
Vater sein Herz erheben und ihn anflehen und ihn loben und ihm danken
darf? Doch, für uns schon! Für uns, die wir lieber in der Sonne
liegen oder vor dem Fernseher sitzen oder den Genüssen des Essens
und des Trinkens uns hingeben, für uns ist es eine Buße, wenn wir mit
dem Vater im Himmel sprechen müssen. Insofern ist also die
Gebetsbuße tatsächlich für uns Menschen geringer Gottesliebe eine
Buße, d.h. eine Strafe. Aber freilich, wenn man Gebetsbußen
auferlegt, dann sollten sie einen gewissen Umfang annehmen. Mir ist
es schon passiert, daß jemand sagte, als ich ihm aufgab, einen
Rosenkranz zu beten: „Einen ganzen?“
Aber jetzt kommt noch eine dritte Schwierigkeit. Die Bußen müßten an sich verrichtet werden vor
der Lossprechung. An sich wäre es notwendig, die Bußwerke, die
Strafen, die ein integrierender Bestandteil des Bußsakramentes
sind, gleich nach der Auflage zu verrichten und dann
wiederzukommen und zu sagen: Jetzt habe ich die Werke verrichtet,
jetzt erbitte ich die Lossprechung. Und so ist es jahrhundertelang
in der Kirche gewesen. Im ganzen 1. Jahrtausend wurde die
Bußauflage dem Pönitenten gegeben. Er hatte sie zu verrichten,
und nach der Verrichtung empfing er die Lossprechung. Heute – und
etwa seit dem Jahre 1000 (Burchard von Worms) – begnügt man sich mit der
Zustimmung des Pönitenten zu der Auflegung der Buße. Man vertraut
darauf, daß er auch nach der Lossprechung die Bußauflage
verrichten wird. Und das ist wichtig, denn die Verrichtung der
Bußauflage ist ein Bestandteil des Bußsakramentes. Wer sie nicht
verrichtet, der begeht eine neue Sünde. Man soll sie also gleich,
gewissenhaft und genau verrichten.
Wie lautet die
Lossprechungsformel des Priesters bei der Beichte ?
"Gott, der barmherzige Vater hat durch den Tod und die
Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist
gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir
Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."
Predigten von Professor May